General-Anzeiger vom 12.08.2004

FEUILLETON

Alles schon einmal gelebt

FESTIVAL Ohne Schweiß und Tränen:
Auf dem Dach des Crowne-Plaza-Hotels in Köln
lädt die junge Theatergruppe "Drama Köln"
zum "
Ferienlager 04"

Von Hans-Christoph Zimmermann

Schöner kann Freilufttheater nicht sein. Kein zugiger Burghof, keine mit Unrat verseuchte Wiese: die Theatergruppe "Drama Köln" hat sich für ihr Festival "Ferienlager 04" auf das Dach des Crowne-Plaza-Hotels mitten in Kölns Innenstadt zurückgezogen. Gespielt wird über der Präsidentensuite in luftiger Höhe auf einer Fläche von gerade einmal 70 Quadratmetern. Gegen Abstürze schützt ein übermannshoher grüner Zaun, der aber, lyrisch interpretiert, eher am Abflug in die Ferne hindert, denn die lockt mit einem unnachahmlichen Blick weit über Köln hinaus bis ins Siebengebirge.

Auf der Suche nach außergewöhnlichen Spielorten war die junge Truppe um Schauspieler Malte Jelden und Regisseur Oliver Krietzsch-Matzura bereits im vergangenen Jahr auf das Crowne Plaza am Kölner Rudolfplatz gestoßen. In Hoteldirektor Martin Tamm fand sie einen aufgeschlossenen Gesprächspartner, der die renommierte Herberge erstmals für ein Projekt während der Kölner Theaternacht 2003 öffnete. Weitere Veranstaltungen wie das Gesprächsforum "Kulturshoppen" intensivierten die Zusammenarbeit, so dass es schließlich nur noch ein kleiner Schritt war bis zur Installation eines Sommerfestivals.

"Ferienlager 04" atmet noch ganz den Charme des Neuen und Improvisierten. Die Zuschauer sitzen in schweren Postermöbeln, und als hätte man Brechts Diktum vom "Theater als sportliche Anstalt" beherzigt, darf während der Vorstellung geraucht und getrunken werden. Das Programm bietet ein buntes Sammelsurium aus Theater, Film, Party und Lesungen. Im Zentrum stehen drei Uraufführungen von Kurzdramen, die eigens für das Festival in Auftrag gegeben wurden. "Sieben Monde" ist Polle Wilberts Monolog einer schwangeren Frau überschrieben, die auf einem Hochhausdach über Selbstmord nachdenkt. Der dicht komponierte Text zeichnet ein gelungenes Psychogramm seiner Hauptfigur, wartet auch mit überraschenden Wendungen auf, doch Philine Velhagens Inszenierung krankt an einer aktionsbeflissenen Überambitioniertheit.

Auch die Inszenierung von Kai Ivo Baulitz' "Trabanten", einem Stück über das Sterben eines Autohändlers und seine Erben, gelingt nur halbwegs. Verantwortlich dafür ist der mit Verquastheiten aufgerüschte Text, der sich nicht recht entscheiden kann zwischen dem Porträt eines Howard Hughes des Einzelhandels und den Intrigen seiner raffgierigen Nachkommen. Überzeugend, gerade in seinem geschärften Blick auf die Generation der "Thirtysomethings", gerät Nicola Richters hystero-dramatische Fantasie "Doppelklick"; sieben verzickte Figuren, die im Hamsterrad von Konsum und elektronischem Medienoverkill ihr Leben zum Infotainment getunt haben. Alles ist schon einmal gesagt, alles schon einmal begehrt, alles schon einmal gelebt worden; die Sehnsucht nach Authentizität quält diese modernen Kunstfiguren. Regisseur Oliver Krietsch-Matzura scheucht seine Darsteller mit viel Spiellaune durch diese unterhaltsame Pointenbrause und schafft es, die atemberaubende Aussicht vom Hoteldach für siebzig Minuten vergessen zu machen. Mehr kann man von einem Sommerfestival nicht verlangen: gute Inszenierung, luftige Atmosphäre, keine Schweißausbrüche, Drinks. Die Zuschauer jedenfalls wissen das zu schätzen, bisher waren alle Vorstellungen ausverkauft.

Vorstellungen noch bis 22. August; Programm unter www.ferienlager-04.de. Karten: (0221) 2280.

Autor: ZHA

 

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